ChemKom – Strategische Wissenschaftskommunikation zu Risiken von Ewigkeitschemikalien

Das Forschungsprojekt ChemKom untersucht die strategische Wissenschaftskommunikation von Organisationen über die Risiken von Ewigkeitschemikalien (PFAS). Neben der Kommunikation ausgewählter Organisationen wird auch die innerwissenschaftliche Bewertung dieser Risiken, die mediale Berichterstattung und die Rezeption der Öffentlichkeit ausgewertet. Zudem wird ein eigenes Format entwickelt, um über die Risiken von PFAS zu kommunizieren.

Forschungsansatz

Wie Organisationen sich in ihrer Kommunikation auf Wissenschaft beziehen, um ihre eigenen Interessen zu legitimieren, ist bislang kaum erforscht. Das Projekt ChemKom untersucht daher, wie wissenschaftliche Organisationen wie Hochschulen, aber auch nichtwissenschaftliche Organisationen wie Industrieverbände, Behörden oder NGOs wissenschaftliche Inhalte strategisch kommunizieren. Im Zentrum steht die Kommunikation über per- und polyfluorierte Chemikalien (PFAS), auch „Ewigkeitschemikalien“ genannt. 

Der Verbund, der vom ISOE geleitet wird, analysiert in unterschiedlichen Diskursarenen, wie Organisationen über PFAS kommunizieren: Das ISOE widmet sich zum einen der Arena der Wissenschaft und zeichnet die innerwissenschaftliche Debatte um PFAS und um deren mögliche Beschränkung nach. Dafür werden unterschiedliche Framings in wissenschaftlichen Publikationen identifiziert. Außerdem untersucht das ISOE die strategische Kommunikation relevanter Organisationen, die auf wissenschaftliches Wissen, aber auch auf Unsicherheit und Nichtwissen von PFAS rekurrieren, um ihre Interessen zu vertreten. Diese Analyse basiert auf Interviews, teilnehmenden Beobachtungen und der Auswertung verschiedener Dokumententypen. 

Der Forschungspartner Universität Hamburg beschreibt und analysiert auf Grundlage von Presseartikeln das Bild der Ewigkeitschemikalien in den Medien, um deren Themenkarriere, die verwendeten Framings und die daran maßgeblich beteiligten Organisationen herauszuarbeiten. Der Forschungspartner UfU widmet sich den Rezipient*innen der Wissenschaftskommunikation und deren Vertrauen in die Wissenschaft. Dafür werden Fokusgruppen und Interviews durchgeführt und ausgewertet. Darüber hinaus entwickelt der Verbund ein dialogisches Format zur Strukturierung der divergierenden wissenschaftlichen Inhalte zu PFAS mit dem Ziel einer demokratischen Stärkung von Wissenschaftskommunikation. Das Format wird durchgeführt und evaluiert, um sein Potenzial für andere Themen zu bewerten.

Mit diesem breiten Forschungsansatz will das Projekt einerseits einen Beitrag zum emergierenden Feld der organisationalen strategischen Wissenschaftskommunikation leisten, und andererseits ermöglicht das Beispiel der PFAS verallgemeinerbare Erkenntnisse, wie Organisationen strategisch über Chemikalien und ihre Risiken kommunizieren.

Hintergrund 

Die bisherige Forschung zu organisationaler Wissenschaftskommunikation fokussiert vor allem auf die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit (externe Wissenschaftskommunikation), während die Forschung zu strategischer Wissenschaftskommunikation sich vornehmlich mit PR-Strategien von Universitäten befasst, die eingesetzt werden, um die Sichtbarkeit, den Bekanntheitsgrad und die Reputation der Institution zu erhöhen. Das Projekt ChemKom verbindet organisationsbezogene Wissenschaftskommunikationsforschung mit der Forschung zu strategischer Kommunikation. Am Beispiel der gegenwärtigen kontroversen Debatten über PFAS wird die wissenschaftsbezogene strategische Kommunikation von unterschiedlichen Arten von Organisationen, die darauf abzielt, die Interessen einer Organisation zu stärken, erforscht.

PFAS sind eine Stoffgruppe, die mehr als 10.000 Chemikalien enthält. Diese Stoffe werden wegen ihrer wasser-, fett- und schmutzabweisenden Eigenschaften in einer Vielzahl von Produkten verwendet und sind aufgrund dieser Eigenschaften in der Umwelt praktisch nicht abbaubar. Die Chemikalien reichern sich deswegen weltweit in der Umwelt an und wurden im menschlichen Blut und in Muttermilch nachgewiesen. Die EU prüft derzeit eine Beschränkung der gesamten Stoffgruppe. Wissenschaftliche Evidenzen und deren Kommunikation sind in der Debatte zu PFAS vor allem relevant für die wissenschaftliche Legitimation der Beschränkungsmaßnahmen. Die Risikobewertung von PFAS ist aufgrund der Komplexität und Vielfalt der Stoffgruppe und des hohen Nichtwissens nicht nur politisch umkämpft, sondern selbst innerhalb der Wissenschaft strittig. So gibt es innerhalb der Wissenschaft unterschiedliche Positionen und Begründungen, ob die gesamte Stoffgruppe verboten oder die Toxizität aller Stoffe einzeln bewertet werden sollte. 

Forschungs- und Projektpartner

Förderung

Das Projekt „ChemKom – Strategische Wissenschaftskommunikation zu Risiken von Ewigkeitschemikalien – Analyse von Organisationen, Arenen und Rezeption“ wird gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).

Laufzeit

12/2023 – 12/2026